Umwelt-Tugendethik: Die halbe Wahrheit – sie für das Ganze zu halten, ist aber gefährlich

Rolston III, Holmes
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 93-112

Für eine umfassende moralische Tugend müssen die Menschen den Welten sowohl der Natur als auch der Kultur, in denen sie leben, Sensibilität entgegenbringen. Tugend kann nicht in sich abgeschlossen sein, sondern muss sich am Ort entfalten, in einer Dialektik des sowohl in der Natur als auch gegen die Natur stehenden menschlichen Selbst. Wir realisieren eine einzigartige menschliche Fähigkeit zur Vortrefflichkeit, wenn wir nicht-menschliches Leben respektieren. Aber wenn diese Vortrefflichkeit wirklich davon kommt, die Andersartigkeit zu würdigen, dann ist diese menschliche Tugend dem Wert in anderen Lebensformen nachgeordnet. Wenn eine Umwelt-Tugendethik, ob in der Praxis oder in der Theorie, nicht in der Lage ist, die menschlichen Tugenden und den Eigenwert der Natur zu entflechten, dann haben wir nur eine halbe Wahrheit, die für das Ganze zu halten gefährlich ist.

Sprunghafte Veränderungen – Die Achillesfersen des Systems Erde

Steffen, Will et al.
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 73-92

Nichtlineare, sprunghafte Veränderungen wesentlicher Funktionsmerkmale des Systems Erde sind möglich und haben tatsächlich bereits stattgefunden. Zu den bekannten Beispielen zählen die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik sowie die Bildung des Ozonlochs über der Antarktis. Letzteres zeigt, dass der Mensch durch sein Handeln solche oder noch außerhalb unserer Vorstellung liegende Instabilitäten im System Erde auslösen kann. Sprunghafte Veränderungen können durchaus der bedeutsamste Aspekt des globalen Wandels sein. Es wird unerreichbar sein, alle potentiellen sprunghaften Veränderungen in allen Komponenten des Systems Erde vorauszuahnen. Weitere Überraschungen sind also nicht nur möglich; wir sollten sie erwarten.

Nachhaltigkeit zwischen ökologischer Konsistenz und Dematerialisierung: Hat sich die Wachstumsfrage erledigt?

Paech, Niko
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 52-72

Dieser Beitrag untersucht, ob die beiden wichtigsten Nachhaltigkeitskonzeptionen, nämlich ökologische Konsistenz und Dematerialisierung, eine Abkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Naturverbrauch ermöglichen. Die Konsistenzstrategie zielt darauf, ökonomische Prozesse als System geschlossener Kreisläufe zu organisieren. Demnach entfielen Abfälle, Emissionen und andere Umweltschädigungen, weil Stoffumsätze in den ökologischen Haushalt eingebettet wären. Demgegenüber basiert die Dematerialisierungsvision auf einer mengenmäßigen Verringerung der Ressourcen- und Energieinputs, die zur Generierung eines bestimmten Resultats erforderlich sind. Dies kann auf Basis ökoeffizienter Produkte, Verfahren und Dienstleistungen erfolgen. Beide Ansätze scheitern nicht nur daran, weiteres Wirtschaftswachstum ökologisch zu entschärfen, sondern immunisieren das Gesamtsystem gegen einen kulturellen Wandel in Richtung suffizienter Lebensstile.

Wie Wachstum Naturkapital verschlingt – Am Beispiel des „Öko-Musterlandes” Schweiz

Guggenbühl, Hanspeter
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 43-51

Wir brauchen mehr Wirtschaftswachstum, um den Umweltschutz zu finanzieren, predigen die Regierungen der meisten Industriestaaten. Dabei übersehen sie einen einfachen Zusammenhang. Je mehr die Wirtschaft wächst, desto stärker schrumpft tendenziell das Kapital der Natur in Form von nicht erneuerbaren Ressourcen, und desto stärker wird die Umwelt mit Abfällen, Klimagasen und Landversiegelung belastet. Das gilt in besonderem Maß für die Schweiz, ein Land, in dem der Dienstleistungssektor einen überdurchschnittlichen Anteil zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beisteuert: Der Übergang ins postindustrielle Zeitalter hat das Wachstum weder ‘qualitativ’ noch ‘nachhaltig’ gemacht, wenn man von einzelnen Erfolgen der Reinigungstechnik absieht. Denn die Steigerung der ökologischen Effizienz in der Produktion und in einzelnen Produkten wird durch zunehmende Ineffizienz und Verschwendung im Konsum mehr als kompensiert.

Ökologische Nachhaltigkeit als Knappheitsproblem:
Ein kritischer Blick auf die ökonomische Konstruktion der ökologischen Wirklichkeit

Luks, Fred
Natur und Kultur, Jg. 6/1 (2005), Seiten 23-42

Die Wirtschaft und die Wirtschaftswissenschaft sind entscheidende Faktoren für ökologische Nachhaltigkeit. Vor diesem Hintergrund wird die ‘ökonomische Konstruktion der ökologischen Wirklichkeit’ untersucht. Dabei steht das ökonomische Konzept der Knappheit im Mittelpunkt. Knappheit als Verhältnis von Zielen und Mitteln hat sich im Laufe der Zeit sowohl empirisch als auch konzeptionell gewandelt. Dabei ist der paradoxe Charakter von Knappheit in einer begrenzten Welt von grundlegender Bedeutung, da Wachstum zur Beseitigung von Knappheit immer mehr Knappheit produziert. Der Beitrag problematisiert daher die Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Knappheit ebenso wie die Grundsatzfrage nach der wirtschaftlichen Nutzung der Natur.