Schlangenzeit

Bowden, Charles
Natur und Kultur, Jg. 5/1 (2004), Seiten 115-125

Es gibt Grenzlinien, vor deren Überschreitung wir gewarnt werden. Die Ethik lehrt uns, dass wir andere Lebensformen nicht als Dinge ansehen können. Die Naturwissenschaft lehrt uns, dass wir unsere menschliche Natur nicht auf andere Wesen projizieren können. Ich komme anderswo her. Ich bin nicht wie die Schlange. Aber ich stehe weder über noch unter der Schlange. Ungeachtet der Schaubilder von der Odyssee der Evolution, die mir seit der Kindheit in den Kopf gehämmert wurden, fehlt mir jeglicher Sinn für eine Hierarchie in der Natur. Weder sehe ich meine Spezies als den Höhepunkt von irgendetwas, noch betrachte ich eine Klapperschlange als missratenen Vorfahren.

Über die Bedeutung von Naturbegegnungen und die Folgen von Naturentzug bei Menschenkindern

Zucchi, Herbert
Natur und Kultur, Jg. 5/1 (2004), Seiten 105-114

Forschungsergebnisse verschiedener Disziplinen – zum Teil durchaus schon älteren Datums – zeigen, dass regelmäßige Aufenthalte in der Natur für eine gesunde Entwicklung von Menschenkindern offensichtlich sehr bedeutsam sind. Vergleicht man nun den Verlauf der Kindheit von vor wenigen Jahrzehnten mit dem heutigen, so wird deutlich, dass unseren Kindern die Möglichkeiten zur Naturbegegnung immer mehr verbaut worden sind. Dieser Sachverhalt zieht zahlreiche Deformationen bei Menschen nach sich und führt zu deren Entfremdung von der Natur. Auf der anderen Seite gibt es offensichtlich einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, als Kind regelmäßig in die Natur eintauchen zu können, und der späteren Bereitschaft zum Naturschutzhandeln.

In Wildness is the Preservation of the World:
Die Umweltethik von Henry Thoreau

Cafaro, Philip
Natur und Kultur, Jg. 5/1 (2004), Seiten 82-104

Thoreau war ein wegweisender Kritiker des Anthropozentrismus, der Auffassung, nur der Mensch habe Rechte oder ‘Eigenwert’ und alle anderen Geschöpfe seien lediglich als Ressourcen für den Menschen wertvoll und könnten von uns beliebig instrumentalisiert werden. Thoreau nimmt die heutigen Eigenwertargumente vorweg und weist gleichzeitig auf die Anforderungen hin, die eine Anerkennung des Eigenwertes der Natur an uns stellt. Weiters macht er praktische Vorschläge, wie wir diese Anforderungen in unserem Leben umsetzen können. Das Wichtigste an Thoreau ist aber vielleicht, dass er vorzeigt, wie zugleich ein glückliches, gedeihliches Leben geführt und die Natur respektiert werden kann. Walden bietet also eine fertig entwickelte und inspirierende Umwelt-Tugendethik, die Umweltschutz mit dem Glück und Gedeihen des Menschen verknüpft. Diese Ethik verlangt von uns Zurückhaltung in unserem Umgang mit der Natur, bietet uns aber auch die Hoffnung, dass wir selbst ein besseres Leben führen werden.

Natur und Kapital: Über die Bedingungen nachhaltigen Wirtschaftens

Scherhorn, Gerhard
Natur und Kultur, Jg. 5/1 (2004), Seiten 65-81

Die Südseeinsel Nauru wurde durch Phosphatabbau ökologisch zerstört, aber mit einem Fonds in solcher Höhe entschädigt, dass die jährlichen Zinsen der Insel in den 1990er Jahren ein größeres Volkseinkommen verschafften, als sie es durch nachhaltiges Wirtschaften hätte erringen können. Dennoch lässt sich am Beispiel der Insel zeigen, dass Naturkapital nicht durch Finanzkapital substituierbar ist. Durch kurzsichtige Konzepte von ‘schwacher Nachhaltigkeit’ darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass generalisierbar nur ein Nachhaltigkeitsbegriff sein kann, der insbesondere drei Bedingungen genügt: Erhaltung des kritischen Naturkapitals, Wiedergewinnung der eingesetzten Stoffe, Eindämmung der Kapitalexpansion.

Geldwirtschaft – was passiert mit Mensch und Natur

Zabel, Hans-Ulrich
Natur und Kultur, Jg. 5/1 (2004), Seiten 3-26

Zweierlei Dinge sind nicht möglich ohne das Geld: Volkswohlstand und soziale Gerechtigkeit. Zweierlei Dinge aber sind durch nichts so gefährdet wie durch das Geld: Volkswohlstand und soziale Gerechtigkeit. Dies verdeutlicht einerseits die Unverzichtbarkeit des Geldes als ökonomisches Regulativ, anderseits verliert aber offensichtlich eine Gesellschaft bzw. Gemeinschaft ihr humanistisches Antlitz, deren Entscheidungen ausschließlich am Geldertrag ausgerichtet sind. Der nachfolgende Artikel analysiert die einer reinen Geldwirtschaft inhärenten Negativwirkungen, welche einerseits in Richtung Naturübernutzung und andererseits in der Tendenz zu Ungerechtigkeiten, Gewalteinsatz und sonstigen amoralischen bzw. asozialen Verhaltensweisen liegen, um anschließend Ansätze einer an den Nachhaltigkeitsanforderungen orientierten Modifizierung der Geldwirtschaft zu präsentieren.