Prozessschutz aus Sicht einer holistischen Ethik

Gorke, Martin
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 88-107

Zunehmend wird im Naturschutz die Leitlinie propagiert, natürliche Prozesse zu schützen, was bedeutet, möglichst wenig in die Abläufe der Natur einzugreifen. Dieser Aufsatz geht der Frage nach, ob und wie sich dies begründen lässt. Dabei zeigt sich, dass die von Naturschutzbehörden und Verbänden meistens angeführten anthropozentrischen Argumente nur unzureichend in der Lage sind, die drei Kernelemente des Prozessschutzgedankens zu rechtfertigen: Ergebnisoffenheit, Konsequenz und Vorrangigkeit. Diese Ziele lassen sich nur unter der Annahme eines Eigenwerts der gesamten Natur plausibel machen, wie ihn eine holistische Umweltethik postuliert. Ich argumentiere zugunsten dieser Ethik und skizziere einige ihrer Konsequenzen sowohl für menschliches Handeln in der Kulturlandschaft als auch für die Betreuung von Naturschutzgebieten.

Nachhaltigkeitsprinzipien jenseits des Drei-Säulen-Paradigmas

Paech, Niko
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 42-62

Ausgehend von einem kurzen ‘dogmenhistorischen’ Rückblick wird ein Orientierungsrahmen für eine nachhaltige Entwicklung skizziert. Er basiert auf sechs Prinzipien, die sich aus einer Anwendung des Kriteriums der zeitlichen und räumlichen Übertragbarkeit ergeben: Effizienz, Konsistenz, Suffizienz, Risikominderung, Umverteilung und Vermeidung. Demgegenüber erweist sich das sog. ‘Drei-Säulen- Modell’ angesichts seiner immanenten Widersprüche als ungeeignetes Zielsystem. Diese Widersprüche lösen sich erst auf, wenn die drei Säulen Ökologie, Soziales und Wirtschaft nicht als Ziele, sondern als Handlungsfelder betrachtet werden, in denen die obigen Prinzipien zur Anwendung gelangen.

Peak oil: Der Strukturbruch konventioneller Energieerzeugung

Schindler, Jörg; Zittel, Werner
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 23-41

Der Artikel beschreibt das bevorstehende Fördermaximum von Erdöl. Es wird untersucht, inwieweit die anderen fossilen Energieträger Erdgas oder Kohle sowie die Kernenergie eine weiter wachsende Energieversorgung bei abnehmender Ölverfügbarkeit garantieren können. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass deren vorhandene Potenziale nicht ausreichen werden, dieses Wachstum zu garantieren. Vermutlich wird das Ölfördermaximum einen Strukturbruch einleiten, der durch den Übergang von fossiler Energieversorgung zu regenerativer Energieversorgung gekennzeichnet ist. Ernsthafte Versorgungsengpässe sind in der Übergangsphase der kommenden 10 bis 30 Jahre zu erwarten. Diese wird vermutlich umso besser überstanden, je geringer die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ist.

Exponentielles Wachstum als treibende Kraft von Überschreitungen ökologischer Grenzen

Meadows, Donella; Randers, Jorgen; Meadows, Dennis
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 3-22

Die Hauptursache für Grenzüberschreitungen ist das Wachstum und damit verbunden beschleunigte Entwicklung und rascher Wandel. Seit mehr als einem Jahrhundert unterliegen viele Bereiche des globalen Systems einem raschen Wachstum. So nehmen Bevölkerung, Nahrungsproduktion, Industrieproduktion, Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung ständig zu – oft sogar immer schneller. Diese Zunahme folgt einem Muster, das Mathematiker als exponentielles Wachstum bezeichnen. Diese Form des Wachstums zeigt überraschende Merkmale, durch die man es nur sehr schwer in den Griff bekommt. Bevor wir nun analysieren, welche Optionen es auf lange Sicht gibt, wollen wir zunächst definieren, was exponentielles Wachstum bedeutet. Wir werden auf seine Ursachen eingehen und erörtern, welche Faktoren seinen Verlauf steuern.

Respekt vor der Rheinlandschaft – Überlegungen aus naturethischer Sicht

Stähli, Fridolin
Natur und Kultur, Jg. 6/2 (2005), Seiten 120-132

In diesem Essay plädiere ich für eine holistische Haltung, die uns Menschen einen Platz im Einklang mit der Natur zuweist und uns auffordert, diese als Mitwelt und nicht nur als Ressourcen spendende Umwelt zu betrachten. Wir wurden nicht in eine Welt zu unseren Diensten geboren; wir leben mit vielen anderen Lebewesen in einem komplexen Wechselspiel auf der Erde und sind gleichzeitig durch sie und mit ihr in einem langen Entwicklungsprozess entstanden. Das erfordert von uns Respekt und Achtsamkeit. Mit einer solchen Haltung gewinnen wir innere Freiheit und sind in der Praxis in der Lage, außermenschliche Natur zu schützen und zu erhalten, und das um ihrer selbst willen. Ich will das konkret am Beispiel des Landschaftsschutzes zeigen, indem ich zwei unberührte, wilde Flussabschnitte des Alpenrheins näher betrachte, die in der jüngsten Vergangenheit wegen Kraftwerkbauten heftig umkämpft waren: die Greina-Hochebene und die Mastrilser Rheinauen.