Gorke, Martin
Natur und Kultur, Jg. 7/1 (2006), Seiten 88-107
Zunehmend wird im Naturschutz die Leitlinie propagiert, natürliche Prozesse zu schützen, was bedeutet, möglichst wenig in die Abläufe der Natur einzugreifen. Dieser Aufsatz geht der Frage nach, ob und wie sich dies begründen lässt. Dabei zeigt sich, dass die von Naturschutzbehörden und Verbänden meistens angeführten anthropozentrischen Argumente nur unzureichend in der Lage sind, die drei Kernelemente des Prozessschutzgedankens zu rechtfertigen: Ergebnisoffenheit, Konsequenz und Vorrangigkeit. Diese Ziele lassen sich nur unter der Annahme eines Eigenwerts der gesamten Natur plausibel machen, wie ihn eine holistische Umweltethik postuliert. Ich argumentiere zugunsten dieser Ethik und skizziere einige ihrer Konsequenzen sowohl für menschliches Handeln in der Kulturlandschaft als auch für die Betreuung von Naturschutzgebieten.